Anfang Oktober 2024 verschickte die Landeshauptstadt Dresden an über 70 Einrichtungen der Sozialen Arbeit sogenannte „Blaue Briefe“. Darin wurden weitreichende Kürzungen und Schließungen ab April 2025 angekündigt – ohne einen beschlossenen städtischen Haushalt. Mit den geplanten Kürzungen von 9 Millionen Euro – etwa einem Drittel der jährlichen Förderung – droht der Wegfall zahlreicher Angebote, die für die soziale Teilhabe, Bildung und Integration von Kindern, Jugendlichen und Familien, Menschen mit Suchterkrankung oder anderen psychischen Erkrankungen sowie Personen in besonderen Lebenslagen entscheidend sind. Diese Kürzungen gefährden weniger unsere eigenen Projekte, sondern das gesamte sozialarbeiterische Netz in Dresden, als dessen Teil wir uns begreifen. Wir arbeiten mit Klientinnen und Klienten, die über unsere eigenen Angebote hinaus soziale und kulturelle Einrichtungen in Dresden besuchen und oft auf diese angewiesen sind. Die geplanten Kürzungen betreffen daher nicht nur die Träger und Einrichtungen direkt, sondern vor allem den Lebensalltag unserer Klientinnen und Klienten. Auch wenn wir als Träger indirekt von den Kürzungen betroffen sind, sehen wir uns in der Verantwortung, die Auswirkungen für die betroffenen Menschen und die Stadtgesellschaft aufzuzeigen und zu kritisieren.
In unserem Mutter-Kind-Wohnen war beispielsweise für 2025 eine Kooperation mit dem Familienzentrum Altstadt geplant, um Erziehungscoachings anzubieten und die Zusammenarbeit auszubauen. Diese Unterstützung ist für die stabilisierende Entwicklung der Mütter und ihrer Kinder essentiell. Aufgrund der Kürzungen ist jedoch unklar, ob diese Maßnahme wie vorgesehen umgesetzt werden kann.
Durch die geplanten Kürzungen wird auch die Schulsozialarbeit deutlich eingeschränkt, was insbesondere die Schülerinnen und Schüler betrifft, die aufgrund sozialer Probleme sozialarbeiterische Unterstützung benötigen. Unsere eigene Schulintegrationshilfe befindet sich in enger Kooperation mit diesen Angeboten. Wenn Schulsozialarbeit und andere schulische Unterstützungsstrukturen reduziert oder ganz gestrichen werden, entstehen erhebliche Lücken, die nicht einfach kompensiert werden können, insbesondere vor dem Hintergrund der prekären personellen Ausstattung mehrerer staatlicher Schulen in der Landeshauptstadt.
Auch Familien mit Fluchthintergrund benötigen ein starkes soziales Netz, um die Herausforderungen der Integration zu bewältigen. Die geplanten Kürzungen betreffen in diesem Bereich indirekt unsere eigene sozialpädagogische Familienhilfe, durch den Wegfall wichtiger Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner. Problematisch zeigt sich dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Jugendamt zunehmend dazu neigt, integrative Maßnahmen aus unseren Hilfen auszugliedern. Diese Entwicklung gefährdet den enormen Bedarf unserer Klientinnen und Klienten und führt zu einer Überlastung der bestehenden Migrationsdienste, die ohnehin schon unter Kapazitätsdruck stehen.
Besonders besorgniserregend ist die Situation für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Diese Jugendlichen warten ohnehin schon oft lange auf einen Platz in einer DAZ-Klasse, obwohl sie schulpflichtig sind. Sollte am Berufsschulzentrum für Bau und Elektrotechnik gespart werden, bedeutet das noch weniger Plätze und längere Wartezeiten. Gleich verhält es sich mit den ABC-Tischen, die von den Jugendlichen zur Nachhilfe genutzt werden und vor allem nach unserer Betreuung weiter genutzt werden. Ein wichtiger Aspekt dieser Unterstützung ist auch der Zugang zur Bibliothek. Unsere Jugendlichen haben nicht die Gelder, sich sämtliche Deutschbücher selbst zu kaufen, weshalb der Zugang zu öffentlichen Ressourcen wie der Bibliothek unverzichtbar ist. Ein weiterer bedeutender Aspekt sind die Auswirkungen auf die sozialen Strukturen die für unbegleitete minderjährige Geflüchtete (UMFs) und andere Migrant:innen zur Verfügung stehen. Die Kürzungen betreffen zahlreiche Projekte in unmittelbarer Nähe mehrerer Einrichtungen unseres Trägers in Pieschen. Hierzu zählen etwa die Kürzungen im Jugendclub Emmers, der für viele junge Menschen im Stadtteil ein sicherer Ort zum Austausch, zur Freizeitgestaltung und zur sozialen Vernetzung ist. Die Schließung der Transkulturellen Bildungs- und Begegnungsstätte ist ein weiterer schwerwiegender Verlust, da sie gerade für junge Migrant:innen ein Raum für kulturellen Austausch und Integration bietet.
Weitere in diesem Bereich betroffene Angebote wie „Mein Viertel, mein Kiez“ des Ausländerrates oder der Familienmigrationsdienst der Caritas leisten unverzichtbare Unterstützung in der sozialräumlichen Integration von jungen Migrant:innen und Familien und sind wichtige Kooperationspartner für unsere Projekte. Auch das Projekt „das Boot“, das Beratung und psychologische Unterstützung für belastete Menschen mit Migrationshintergrund anbietet, ist entscheidend für die psychosoziale Versorgung von Personen mit Traumafolgestörungen aufgrund von Krieg und Flucht. Eine deutliche Reduktion der Angebote wird langfristig die sozialen und wirtschaftlichen Probleme von Migrant:innen verschärfen, die Integration und Perspektiven weiter behindern und das Risiko von sozialer Isolation erhöhen.
Für wohnungslose Menschen sind niedrigschwellige Angebote wie Medinetz/Kosmos sowie Safe Dresden von zentraler Bedeutung. Diese Projekte sichern nicht nur den Zugang zu medizinischer Versorgung für nicht krankenversicherte Personen, sondern auch den Zugang zu sozialarbeiterischer Begleitung und Beratung auf der Straße. Der Wegfall dieser wichtigen Angebote hat nicht nur direkte Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen, sondern belastet auch die gesamte Stadtgesellschaft. Denn unversorgte wohnungslose Menschen werden auf lange Sicht die städtischen Gesundheitseinrichtungen stärker beanspruchen, was die Kosten erheblich steigert.
Ein weiterer zentraler Bereich ist die Suchtprävention, die angesichts aktueller Herausforderungen dringend ausgebaut werden müsste. Die Teillegalisierung von Cannabis sowie die in den vergangenen Jahren gestiegenen Beratungszahlen zu Cannabinoidmissbrauch und problematischem Medienkonsum verdeutlichen, welche Herausforderungen künftig verstärkt auf den Präventionsbereich zukommen werden. Gerade präventive Maßnahmen sind entscheidend, um Menschen frühzeitig zu erreichen und eine Verschärfung von Problemlagen zu verhindern. Die geplanten Kürzungen im Bereich der Suchtberatungs- und Behandlungsstellen (SBB) senden hier jedoch ein falsches Signal. Stattdessen wäre eine gezielte Aufstockung der Mittel notwendig, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden und eine nachhaltige Präventionsarbeit sicherzustellen.
Zudem betrifft die Kürzung der Mittel für das Sozialticket über den Dresden Pass insbesondere Sozialleistungsempfänger:innen. Viele unserer Klient:innen sind auf den Dresden Pass angewiesen, um eine vergünstigte Fahrkarte zu erhalten. Wird diese Unterstützung gestrichen, bedeutet das eine direkte finanzielle Mehrbelastung für die Betroffenen und gefährdet die Mobilität besonders vulnerabler Menschen weiter.
Die Kürzungen im Allgemeinen schwächen das soziale Netz in Dresden und gefährden die Arbeit vieler sozialer Einrichtungen. Besonders betroffen sind die niedrigschwelligen Angebote, die für viele Klient:innen eine zentrale Rolle spielen. Viele freie Träger und Einrichtungen sind auf die Förderung aus dem Sozialetat angewiesen, um ihre Arbeit durchführen zu können. Wenn diese Mittel gekürzt werden, bedeutet dies nicht nur das Ende zahlreicher Projekte, sondern auch den Verlust von Arbeitsplätzen und die Entwertung der sozialen Arbeit. Die Kürzungen bergen zudem die Gefahr einer Konkurrenz zwischen sozialen Trägern, die nicht im Interesse der Klient:innen ist.
Wir können es nicht hinnehmen, dass soziale Projekte, die für das Wohl unserer Klient:innen und die Stabilität der Stadtgesellschaft wichtig sind, unter die Räder geraten und möchten uns daher solidarisch mit den betroffenen Projekten zeigen. Wir fordern daher, dass die geplanten Kürzungen zurückgenommen werden und ein transparenter sowie inklusiver Dialog mit allen Beteiligten geführt wird. Die Stadt Dresden muss Verantwortung für die soziale Teilhabe und Integration ihrer Bewohner:innen übernehmen – nicht durch die Reduzierung von Mittelzuweisungen, sondern durch eine konsolidierte und langfristige Förderung sozialer Angebote. Es ist jetzt an der Zeit, für eine Stadtgesellschaft einzutreten, in der alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, sozialen oder gesundheitlichen Voraussetzungen, gleiche Chancen auf eine gute Zukunft haben.